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Mit Beginn des Ukraine-Krieges und der „Zeitenwende“ der deutschen Bourgeoisie ist die Linke in eine tiefe Krise geraten. Mit ihrem althergebrachten Pazifismus befand sie sich auf einmal nicht mehr auf Linie der Regierung, die sich jahrzehntelang auf die „friedliche“ Ausbeutung der Arbeiter und unterdrückten Länder Europas mit ihren Instrumenten EU und Euro konzentriert hatte. Ein Teil der Linken wie Gregor Gysi und Bodo Ramelow reihte sich sofort hinter dem NATO-Kriegskurs ein und kämpft dafür, jede Kritik an der NATO mundtot zu machen. Auf der anderen Seite stehen dagegen die Pazifisten wie Sahra Wagenknecht, die zwar den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ Russlands verurteilen, aber ihre Opposition gegen die NATO nicht einfach aufgeben wollen.

Wir Spartakisten haben dafür gekämpft, diese sich abzeichnende Polarisierung zu verschärfen und die Widersprüche in der Linken zu vertiefen. Allen Arbeitern und Jugendlichen, die angesichts der Krise der Linken und der Pro-NATO-Offensive nach einem Ausweg suchen und gegen den deutschen Imperialismus kämpfen wollen, haben wir Spartakisten einen klaren Weg nach vorne gezeigt: Schmeißt die EU/NATO-Unterstützer aus der Linken! Dies ist eine elementare, dringend notwendige und einleuchtende Maßnahme: Wer offen und unverblümt die EU und NATO unterstützt, diese Werkzeuge der Imperialisten, sollte keinen Platz in der Arbeiterbewegung und Linken haben. Seit dem 1. Mai haben wir eine Kampagne geführt und unsere Linie in der Linken bekannt gemacht. Unsere Kampagne hat sich auch in qualitativ höheren Verkaufszahlen unserer Propaganda gezeigt. Weil wir die einzig fortschrittliche Antwort gegen die Pro-NATO-Offensive und auf die Krise der Linken gegeben haben, waren alle linken Organisationen gezwungen, Position zu beziehen. Und das haben sie: Alle haben sich gegen unseren Kampf gestellt.

Man muss kein Revolutionär sein, um diese Forderung zu unterstützen. Doch nur wir Revolutionäre haben dafür gekämpft. Es ist eine politische Bankrotterklärung für die gesamte reformistische Linke, dass sie unsere Forderung abgelehnt hat. Sie können noch so viele Worte gegen die NATO richten: Als es darauf ankam, sich gegen die NATO-Offensive im Ukraine-Krieg zu stellen, haben sie kapituliert und sich als Arbeiterverräter und Kriecher vor dem deutschen Imperialismus entlarvt. Sie stehen für die Einheit mit den SPD-, Linkspartei- und Gewerkschaftsführern, die im Ukraine-Krieg offen die Seite der deutschen Bourgeoisie einnehmen und jede Konfrontation mit dieser verhindern wollen. Diese von ihnen propagierte Einheit stärkt und erhält den Einfluss der Handlanger der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung.

Die Kapitulation der reformistischen Linken kommt für uns nicht überraschend, sondern resultiert direkt aus ihrem pazifistischen Programm. Wie wir in Spartakist Nr. 224 (Frühjahr 2022) erklärten, führt dieses „notwendigerweise dazu, vor den EU/NATO-Unterstützern zu kapitulieren. So gaukeln sie immer wieder vor, man könne auf der Seite der blau-gelben Fahnenschwenker und gleichzeitig gegen Waffenlieferungen an die Ukraine sein. Zwischen der Unterstützung des Imperialismus via NATO und EU und dem Programm für eine sozialistische Revolution gibt es keinen Mittelweg.“

Wir Trotzkisten kämpfen für den einzigen fortschrittlichen Weg aus dem Krieg zwischen der Ukraine und Russland. Wir sagen: „Ukrainische, russische Arbeiter: Dreht die Gewehre um!“, und kämpfen für die Umwandlung dieses auf beiden Seiten reaktionären Krieges in einen revolutionären Bürgerkrieg, in dem die Arbeiter für den Sturz ihrer eigenen Bourgeoisie kämpfen. Ein Sieg der ukrainischen Regierung, der Handlanger der Imperialisten, würde nur verstärkte imperialistische Unterjochung durch NATO und EU bedeuten – und damit freie Bahn für das deutsche Finanzkapital. Ein Sieg Russlands würde nichts Besseres bedeuten, sondern die ukrainische Nation der russischen Unterdrückung ausliefern. Ein Großteil der Linken unterstützt direkt das Hauptkriegsziel der NATO: die Niederlage Russlands. Auch die Pazifisten, die eine offene Unterstützung der NATO oder Waffenlieferungen ablehnen, stehen durch ihre „Solidarität mit der Ukraine“ und Einheit mit den EU/NATO-Unterstützern im Lager des deutschen Imperialismus.

Die Spartakist-Arbeiterpartei (SpAD), Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL), hat sich der Aufgabe verpflichtet, für die Schmiedung eines revolutionären Pols gegen den deutschen Imperialismus zu kämpfen, den Kern einer revolutionären Partei und Führung der Arbeiterklasse. Unsere Kampagne hat gezeigt, dass nicht die offenen Kriegstreiber und Unterstützer von EU/NATO, sondern die pazifistischen Versöhnler und Einheitsapostel dafür das größte Hindernis sind. Deshalb ist es dringend notwendig, für den Bruch der Arbeiterklasse von diesen Arbeiterverrätern zu kämpfen – von den offenen Sozialchauvinisten und den Pazifisten. Die Arbeiterklasse braucht eine revolutionäre Führung!

Alle Arbeiter und Jugendlichen, die wirklich gegen den deutschen Imperialismus kämpfen wollen, müssen sich mit den Lehren unserer Kampagne auseinandersetzen, die wir im Folgenden dokumentieren.

„Antikriegsbündnis“ … mit NATO-Kriegstreibern

Ein Paradebeispiel für das Agieren der reformistischen Linken im Ukraine-Krieg war die „Berliner Kampagne gegen Krieg und Aufrüstung“, ins Leben gerufen von den pseudotrotzkistischen Organisationen marx21, Sozialistische Alternative (SAV), Sozialistische Organisation Solidarität (Sol), Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) und Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM). Am 6. Mai gab es ein Bündnistreffen, um eine Demo gegen den 100-Milliarden-Aufrüstungsetat der Regierung zu organisieren.

Die zentrale Forderung des Bündnisses ist der Kampf gegen Aufrüstung. In unserer Intervention beim Bündnistreffen machten wir deutlich, dass die pazifistische Forderung des Bündnisses bewusst gewählt ist, um akzeptabel für die Pro-NATO-Führer der Gewerkschaften und jeden Sozialdemokraten links von Olaf Scholz zu sein und die politische Spaltung von den Agenten des Imperialismus in der Arbeiterbewegung zu verhindern (siehe Box auf Seite 23). Wie wir in Spartakist Nr. 224 erklärten:

„Die Kampagne für Abrüstung ist eine Kampagne für ein anderes Finanzbudget des deutschen Imperialismus. Kann so Krieg verhindert werden? Nein, offensichtlich nicht. Beide Weltkriege sind nicht wegen Aufrüstung der imperialistischen Mächte ausgebrochen, sondern wegen der im kapitalistischen System unüberbrückbaren Widersprüche. Imperialismus ist nicht einfach eine reaktionäre Politik von Aufrüstung und Militärinterventionen, die im Rahmen des Kapitalismus durch eine bessere, progressivere Politik (z. B. Finanzierung von Bildung) ersetzt werden kann.“

Die Behauptung, dass der imperialistische Krieg durch Abrüstung verhindert werden könnte, ist nicht nur utopisch, sondern reaktionär.

In der folgenden Diskussion hat die versammelte Mannschaft der Pseudotrotzkisten sich auch vollkommen selbst entlarvt. Jeder weiß, dass die Gewerkschaftsbonzen Fahimi, Hoffmann und Co. voll hinter dem NATO-Kriegskurs der Regierung stehen und jeden Piep an Kritik gegen die NATO sofort abschießen würden. Was war die Reaktion der Reformisten? Alle Organisatoren des Treffens, u. a. marx21, RIO und GAM, argumentierten explizit, man müsse jede Opposition gegen die NATO im Demo-Aufruf verbannen, damit dieser akzeptabel für die Führung der Gewerkschaften sei und sie sich dem Bündnis anschließen könne! All dies zeigt klar: Diese selbsternannten „Anti-Imperialisten“ wollen mit ihrer Kampagne gegen Aufrüstung den notwendigen Kampf gegen die Pro-NATO-Führung der Arbeiterklasse verhindern. Dumm nur für RIO und Co., dass die NATO-Unterstützer im Ukraine-Krieg an einer Einheit mit den pazifistischen Eiertanz-Linken nicht interessiert sind. Und so endete die angestrebte Massendemo am 29. Mai als Auflauf der üblichen verdächtigen Linken. Verrat zahlt sich eben nicht aus.

Im Gegensatz zu marx21, SAV und Sol, die tief in der Linkspartei vergraben sind, fordert RIO einen „revolutionären Bruch“ mit der Linkspartei und ihrer Jugendorganisation Solid. Die Frage ist: Auf welcher programmatischen Basis kämpfen sie für einen Bruch von der Linkspartei? Was soll das für eine revolutionäre Partei sein, die den Kampf gegen die EU/NATO-Unterstützer ablehnt und im Gegenteil mit diesen eine pazifistische Abrüstungskampagne aufbauen will? Die im Gleichschritt mit dem deutschen Imperialismus „Solidarität mit der Ukraine“ predigt und den Abzug der russischen Truppen fordert? Richtig, keine revolutionäre Partei, sondern nur eine etwas linkere Version der Linkspartei. Eine solche Partei kann nur die Rolle spielen, wie RIO es jetzt tut, mit linker Rhetorik die Spaltung von der sozialdemokratischen Führung zu verhindern und die Wut der Arbeiter wieder hinter die verräterische Führung zu kanalisieren, und ist somit nur ein weiteres Hindernis für die Revolution.

Marx21: Entstellung von Liebknecht im Dienst des deutschen Imperialismus

Ein Charakteristikum der Linken in Deutschland ist, dass sie ihre reformistischen Positionen unter dem Deckmantel der revolutionären Spartakisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht verbreiten. Ein typisches Beispiel war auf dem Kongress „Marx is Muss“ (3.-6. Juni) von marx21 zu beobachten. Es waren wir Spartakisten, die den Kongress entlang einer revolutionären Linie gegen den Imperialismus polarisierten und der reformistischen Entstellung von Liebknecht zum zahnlosen Pazifisten entgegentraten. Wir intervenierten beim Kongress gegen die Linie von marx21 und erklärten, warum unsere revolutionär-defätistische Position im Ukraine-Krieg, die marx21 ablehnt, in der Tradition der Bolschewiki und Liebknechts steht.

In direkter Antwort auf unsere Interventionen richtete sich die marx21-Sprecherin Stefanie Haenisch am dritten Kongresstag gegen das Programm von uns Spartakisten. Haenisch begann ihre Rede mit einer offensiven Verteidigung der marx21-Position für die Niederlage Russlands. Sie sprach davon, dass der Krieg auf Seiten der Ukraine ein „Teil Volkskrieg“ gegen Russland sei, so als sei dies ein Krieg zur nationalen Selbstverteidigung der Ukraine. Diese Rhetorik dient nur dazu, das Kriegsziel des deutschen Imperialismus – den Sieg der Ukraine – zu unterstützen. Mit unglaublicher Chuzpe tischte Haenisch die Lüge auf, dass die Position von marx21 in der Tradition Liebknechts stünde! Sie zitierte Liebknechts historisches Flugblatt vom Mai 1915, in dem er für „internationalen proletarischen Klassenkampf“ agitiert und erklärt, dass der Hauptfeind im eigenen Land steht … um zu behaupten, dass dies in vollem Einklang mit der Linie von marx21 für Abrüstung steht. Im gleichen Atemzug lehnte sie die zentrale Schlussfolgerung von Liebknecht und uns Spartakisten ab – dass die Arbeiter die Gewehre auf ihre eigenen Kapitalisten richten sollen und ein revolutionärer Bürgerkrieg notwendig ist – und bezeichnete diese als „lächerlich“.

Eine Spartakist-Genossin intervenierte daraufhin in die Diskussion und erklärte, dass die Position von marx21 genau das Gegenteil der Position Liebknechts ist: Im Ersten Weltkrieg rief er die Arbeiterklasse in Deutschland niemals dazu auf, gegen die Russen zu schießen, sondern kämpfte für den Sturz des deutschen Imperialismus. Wie Lenin unterstrich, „nur die Umkehrung der Waffen gegen die eigene Bourgeoisie kann den Aufgaben des Proletariats entsprechen und mit der Losung der besten Vertreter des Internationalismus, z. B. Karl Liebknechts, im Einklang stehen“ (Lenin Werke Band 23, „Die Aufgaben der Linksradikalen (oder der linken Zimmerwaldisten) in der Sozialdemokratischen Partei der Schweiz“, 1916).

Offener Brief der Spartakisten an die Linke: Reformisten lehnen Debatte ab

Die Spartakist-Arbeiterpartei Deutschlands erklärte in einer Einladung (2. Juni) an zahlreiche linke Organisationen zu einer offenen Debatte mit dem Thema: „Krieg in der Ukraine, deutscher Imperialismus und die Krise in der Linken: Welcher Weg vorwärts für Revolutionäre?“:

„Der Krieg in der Ukraine und der damit verbundene Schwenk der deutschen Bourgeoisie haben in der Linken zu einer gewaltigen Krise geführt. Es ist dringend notwendig, eine revolutionäre Antwort auf die Offensive der offenen, pro-EU/NATO-Agenten für den Imperialismus zu geben.

Das muss jetzt angegangen werden. Deshalb schlagen wir eine offene Debatte vor und richten uns an alle in der Linken, die es ebenfalls als zentrale Aufgabe für Revolutionäre sehen, Klarheit zu schaffen über den Ukrainekrieg, den deutschen Imperialismus und die Krise der Linken.“

Keine reformistische Organisation hatte den Mumm, diese Einladung zu einer offenen Debatte anzunehmen. Die Internationalistische Gruppe (IG) wollte der Teilnahme an der Debatte nur zustimmen, wenn sie noch von einer weiteren linken Organisation unterstützt würde. Das verwundert uns nicht, denn sie hatte bereits auf unserer öffentlichen Veranstaltung im Mai eine klare Position gegen unsere Kampagne bezogen. (Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem antirevolutionären Opportunismus der IG siehe Artikel auf Seite 5.)

Die Pazifisten wollen diese Fragen nicht nur nicht mit uns Spartakisten debattieren – sie versuchen auch krampfhaft, diese Debatte in ihren eigenen Organisationen und der ganzen Linken zu verhindern, um ihre Kapitulation vor den offenen Unterstützern des Imperialismus ungehindert weiterzuführen. Ein schlagendes Beispiel hierfür war die „Antikriegskonferenz“ am 23. April in Frankfurt/Main, die von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ), Jugendorganisation der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP), organisiert wurde. Die Führung der Gewerkschaft ver.di mit ihrer offenen Pro-NATO-Ausrichtung hatte ihrer Jugendorganisation verboten, zu dieser zahmen pazifistischen Konferenz auch nur aufzurufen (es könnte ja leise Kritik an der NATO geben …), und sogar damit gedroht, ihnen den kapitalistischen Staat – dieses Gewaltinstrument der Bourgeoisie zur Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft – auf den Hals zu hetzen! Die Antwort der SDAJ? In einem Deal mit den anwesenden Führern von Linkspartei und ver.di verfügte sie, dass der Krieg in der Ukraine in der Diskussion und ihrer reformistischen Resolution keine Erwähnung finden dürfte! Alles nur, damit die zentrale Pro-NATO/EU-Führung nicht verprellt wird. Ihre Botschaft an Jugendliche und Arbeiter ist klar: Klappe halten und sich weiter der verräterischen Führung unterordnen!

Seit Ausbruch des Krieges verfolgen die Reformisten konsequent diese Linie: Anstelle von politischer Klärung im Interesse des Proletariats betreiben sie das Verwischen der Unterschiede und Differenzen der verschiedenen Positionen. Ein klarer Kampf gegen die NATO, die deutsche Regierung und die ukrainische Selenskyj-Regierung, die am Tropf der Imperialisten hängt, würde die traute Eintracht der Pazifisten mit den offenen Sozialchauvinisten sofort zum Explodieren bringen – und genau das ist der Grund, warum diese hoffnungslosen Einheitsapostel den Vorschlag für eine offene Debatte mit uns Spartakisten um jeden Preis verhindern wollen.

Spartakist-Intervention beim
Erfurter Parteitag der Linkspartei

Für den Erfurter Parteitag der Linkspartei (vom 24. bis zum 26. Juni) hatten wir Spartakisten einen Vorschlag für einen Initiativantrag als Flugblatt vorbereitet, den wir sehr breit an die ankommenden Delegierten in Erfurt verteilten und der am Wochenende unter allen Delegierten bekannt war. Ganz einfach und klar: Alle Unterstützer von EU/NATO, allen voran Gregor Gysi und Bodo Ramelow, werden mit sofortiger Wirkung aus der Partei DIE LINKE rausgeschmissen (siehe Box auf Seite 24). Es gab einige Delegierte, die uns gegenüber zum Ausdruck brachten, dass ihr „Herz mit dem Vorschlag ist“ und sie den vorgeschlagenen Initiativantrag „eigentlich richtig finden“ … nur um dann verschiedene Erklärungen zu bringen, warum sie trotzdem nicht dafür kämpfen wollten! An allererster Stelle stand für sie, dass dieser Antrag die Einheit der Linkspartei sprengen würde. Gerade jetzt, wo die Linkspartei so am Boden liege, müsse doch die Einheit verteidigt werden. Bloß keine Spaltung!

In der Tat: Ein Kampf, wie wir ihn vorgeschlagen haben, hätte wohl zur Spaltung der Linkspartei geführt. Diese Spaltung wäre nicht unsere Spaltung gewesen. Wir kämpfen für die Spaltung der Linkspartei (wie auch der gesamten reformistischen Linken) anhand der Linie: Reform kontra Revolution. Wagenknecht ist zwar ebenso wie die NATO-Unterstützer Gysi und Ramelow nationalistisch und sozialchauvinistisch, aber gilt im Kontext des Ukraine-Krieges nicht nur als prominenteste linke Kritikerin der Linksparteiführung, sondern auch der deutschen Regierung und ihres Kriegskurses gegen Russland. Das macht sie in weiten Teilen der Arbeiterklasse populär. Wenn Wagenknecht und Co. an der Spitze der Linkspartei stünden und sich nicht mehr hinter den NATO-Unterstützern verstecken könnten, würde das uns Revolutionären erleichtern, den Bankrott ihres pazifistischen Programms vor der Arbeiterklasse zu entlarven. Das Ziel ist, die Arbeiterbasis der Linkspartei für die Revolution zu gewinnen, also sowohl von den Rechten wie Ramelow als auch von den Linken wie Wagenknecht abzuspalten, hin zum Aufbau einer revolutionären multiethnischen Arbeiterpartei.

Gegen das Festhalten aller Delegierten an der Einheit mit den EU/NATO-Unterstützern hat unser zugespitzter Vorschlag, den wir auch auf einem Banner vor dem Parteitag hatten, eine klare Linie gezogen. Wie das Neue Deutschland in einem Artikel über den Parteitag mit Hinweis auf „das Transparent einer linken Splittergruppe“ erklärte: „Schon bei der Ankunft der Parteitagsbesucher am Erfurter Messegelände ist klar, was die Stunde geschlagen hat“ (Neues Deutschland, „Die Waffen der Friedlichkeit“, 25. Juni). Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen und oberster NATO-Stiefellecker, fühlte sich so auch genötigt, in seiner Rede, in der er seine pro-imperialistische Linie offensiv verteidigte, auf das Banner der Spartakisten vor dem Parteitag einzugehen, wonach „Leute wie ich aus der Partei ausgeschlossen werden sollen“.

Während die zartbesaiteten reformistischen Strömungen in der Linkspartei durch freundliche und etwas verschämte Kritikchen glänzten, die den EU/NATO-Unterstützern bloß kein Haar krümmen sollten, haben wir Spartakisten als einzige dieses Spiel nicht mitgemacht – was auch die bürgerliche Presse wohl oder übel anerkennen musste: „Die Spartakisten sind nicht zimperlich. Schon morgens haben sie sich an der Straßenkreuzung vor der Messe Erfurt mit einer radikalen Forderung an die Delegierten des Linke-Bundesparteitages aufgebaut: ,Schmeißt die EU/Nato-Unterstützer raus!‘ Demnach sollten Gregor Gysi, Bodo Ramelow oder Susanne Hennig-Wellsow aus der Partei ausgeschlossen werden“ (RP Online, 25. Juni).

Die Führung um (Ex-)marx21-Unterstützerin Janine Wissler hat schließlich ihre Linie durchgesetzt: einerseits unmissverständliche Einreihung in die „Solidarität mit der Ukraine“, scharfe Verurteilung Russlands und Kaltstellung des Wagenknecht-Flügels, andererseits keine vollständige Entsorgung ihrer pazifistischen Forderung nach einer Auflösung der NATO und keine Übernahme der offenen Pro-NATO-Positionen von Gysi, Ramelow und Co. Während die Partei in direkter Unterstützung des deutschen Imperialismus die Sanktionen gegen Russland billigt (was sie den Arbeitern unterjubeln wollen, indem sie Sanktionen gegen russische Oligarchen fordern), hat sie sich aber nicht für Waffenlieferungen ausgesprochen. Es bleibt also in gewisser Weise beim Drahtseilakt zwischen Unterstützung für die Ukraine – und damit das Kriegsziel des deutschen Imperialismus – und der althergebrachten Opposition gegen die NATO.

Auch wenn nicht jede Pro-NATO-Position Ramelows übernommen wurde, hat dieser in seiner Rede auf dem Parteitag die Dienste von Wissler gewürdigt: „Liebe Janine, danke. Es war eine so großartige Rede!“ Die Position von Wissler – mit den „Revolutionären“ von marx21 und den „Bewegungslinken“ im Rücken – „die Linke zusammenzuhalten“, bedeutet Unterordnung unter die offenen Unterstützer der NATO, sonst nichts. Um diesen Verrat abzudecken, betonte Wissler in ihrer Rede, dass man jetzt gemeinsam für „soziale Gerechtigkeit“ kämpfen solle.

Die Zusammenfassung des Parteitags ist einfach: Jede Gruppe von selbsternannten „Revolutionären“ in der Linkspartei kannte unseren Antrag und hat es bewusst abgelehnt, den Kampf gegen die offenen Unterstützer des Imperialismus in der Linkspartei aufzunehmen. Wie wir in der Begründung unseres Antrags erklärten:

„Man muss kein Kommunist sein, um zu unterstützen, dass diese Pro-Imperialisten aus der Arbeiterbewegung geschmissen werden. Aber alle die, die von sich behaupten, sie wären ,Revolutionäre‘, und sich gegen diese Maßnahme elementarer politischer Hygiene für die Arbeiterklasse stellen, sind nichts als Betrüger und Verräter.“ (Vorschlag für Initiativantrag, 22. Juni)

Kann es eine passendere Charakterisierung der reformistischen Linken in Deutschland geben? So hat der Parteitag der Linkspartei an einem Wochenende in konzentrierter Form die Situation in der gesamten Linken widergespiegelt – die Spartakisten mit der einzigen fortschrittlichen Antwort weit und breit und für den Aufbau einer revolutionären Partei im direkten politischen Kampf gegen die Pazifisten, die auf ganzer Linie vor den offenen Pro-Imperialisten kapitulierten.

DKP und KO für Einheit mit NATO-Unterstützern

Die Stalinisten der DKP und der Kommunistischen Organisation (KO) könnten gegenüber dem Rest der Linken als anti-imperialistische Alternative erscheinen, weil sie gegen den NATO-Kriegskurs auftreten und sich überwiegend nicht in die „Solidarität mit der Ukraine“ einreihen.

Wie alle anderen Linken hat auch die DKP es abgelehnt, die EU/NATO-Unterstützer in ihren Reihen rauszuschmeißen. Wie der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele in unsere zeit (UZ) vom 15. April offen erklärte: „Die Bandbreite der Meinungen in unserer Partei ist groß“, von Unterstützung für die reaktionäre ukrainische Regierung, die Handlanger der Imperialisten, bis zur Unterstützung des reaktionären russischen Krieges. Wie die UZ vom 20. Mai schreibt: „Uneinigkeit gibt es über den Charakter des Krieges, seine völkerrechtliche Bewertung und letztlich die Frage, ob der russische Angriff zu verurteilen ist oder nicht. Der Initiativantrag des Parteivorstandes [für den Online-Parteitag der DKP vom 22. Mai] schlägt in diesem Teil einen Kompromiss vor“. Der Inhalt dieses Kompromisses: breitestmögliche pazifistische Einheit gegen Aufrüstung.

Auf der Eröffnungsveranstaltung beim UZ-Pressefest (27./28. August) erklärte Köbele, man müsse auch den SPD-Arbeiter abholen, um gemeinsam gegen die NATO zu demonstrieren. Wir Revolutionäre sind dafür, die Arbeiter gegen die NATO zu mobilisieren. Aber was macht die DKP in Wirklichkeit? Ihr pazifistisches Programm führt sie dazu, die Einheit mit den EU/NATO-Unterstützern in der Linken auf Teufel komm raus aufrechtzuerhalten. Damit ordnet sie die SPD-Arbeiter politisch den Interessen des deutschen Imperialismus unter. Die DKP will „Soziales und Frieden zusammenbringen“ – und an der Seite der Pro-NATO-Führer von Linkspartei und Gewerkschaften marschieren. Auf dieser Grundlage gibt es für die Arbeiterklasse nichts zu gewinnen, weder Frieden noch Soziales.

Wie der Rest der Linken lehnt auch die DKP es ab, die Arbeiter in Deutschland, Russland und der Ukraine für das leninistische Programm der sozialistischen Revolution zu gewinnen – der einzige Weg, wie der Imperialismus gestürzt werden kann. In derselben Veranstaltung haben wir gegen den Pazifismus der DKP interveniert und die leninistische Position des revolutionären Defätismus im Ukraine-Krieg verteidigt. Wir erklärten, dass es genauso reaktionär ist, eine Seite mit Russland zu beziehen – was weite Teile der DKP tun – wie mit der Ukraine. Russland ist zwar nicht imperialistisch, aber führt einen reaktionären Krieg in der Ukraine. Es kämpft dort nicht gegen die Imperialisten, sondern gegen die ukrainische Regierung und will den imperialistischen Stiefel durch die eigene Peitsche ersetzen. Als Linker in den imperialistischen Zentren auf einen Sieg der russischen Armee zu setzen, ist nichts anderes als eine demoralisierte Kapitulation vor dem Imperialismus, die aus der Weigerung resultiert, die Arbeiterklasse gegen die eigene Bourgeoisie zu mobilisieren.

Der pazifistische Friedensschwindel der DKP, ihre Ablehnung der Revolution, ihre Weigerung, von den NATO-Unterstützern zu brechen, gehen Hand in Hand. Was Lenin gegen die Kautskyaner erklärte, gilt heute genauso für die DKP:

„Der offene Opportunismus arbeitet offen und direkt gegen die Revolution und gegen die beginnenden revolutionären Bewegungen und Ausbrüche, im direkten Bunde mit den Regierungen ... Die verdeckten Opportunisten, die Kautskyaner, sind für die Arbeiterbewegung viel schädlicher und gefährlicher, weil sie ihre Verteidigung des Bundes und der ‚Einigkeit‘ mit den ersteren durch wohlklingende ‚marxistische‘ Worte und ‚Friedens‘losungen verdecken und plausibel machen.“ (Lenin Werke Band 23, „Das Militärprogramm der proletarischen Revolution“, 1916)

Und die KO? Über den Charakter des Krieges ist sie heillos zerstritten – zwischen zwei gleichermaßen antirevolutionären Positionen: Der eine Flügel erklärt, dass Russland einen „gerechten“ oder „Verteidigungskrieg“ führe, während der andere von russischem Imperialismus schwadroniert. Im aktuellen Krieg müssten also diejenigen, die die Seite der ukrainischen Regierung unterstützen oder den „russischen Imperialismus“ verurteilen, und diejenigen, die für den Sieg der russischen Armee sind, auf unterschiedlichen Seiten der Barrikaden stehen und aufeinander schießen! Die KO-Führung erklärte im April, dass sie ihre Differenzen über den Charakter des Krieges auf ihrem Kommunismus-Kongress im September klären will. Was hat sie bis dahin getan? Wie der Rest der Linken an der Seite der Gewerkschaftsbürokraten und Pro-NATO-Linken für Abrüstung demonstriert.

In unserer Intervention beim Kommunismus-Kongress machten wir deutlich, dass keine der Strömungen innerhalb von KO und der stalinistischen Weltbewegung den Arbeitern irgendetwas anzubieten hat außer Kapitulation vor dem Sozialchauvinismus und Imperialismus. Ungeachtet der Differenzen über den Charakter des Krieges bestand zwischen allen Flügeln der KO von Anfang an vollkommene Einigkeit in der Ablehnung des revolutionären Defätismus in der Ukraine und der Ablehnung des Kampfes gegen die EU/NATO-Unterstützer in der Linken. Daher existiert dieser ansonsten so gespaltene Haufen vorerst als gemeinsame Organisation weiter und hat auch auf seinem Kongress keine Klärung der Differenzen herbeigeführt.

Für einen revolutionären Pol gegen den deutschen Imperialismus!

Die grundlegende Voraussetzung für den Kampf gegen die imperialistische Bourgeoisie und ihren Krieg ist der politische Bruch des revolutionären Flügels der Arbeiterbewegung vom opportunistischen Flügel. Dies erfordert einen politischen Kampf – nicht nur gegen die offen pro-imperialistische Führung der Arbeiterklasse, sondern besonders gegen die pazifistischen Versöhnler, die diesen Bruch verhindern wollen. Diese Perspektive ist keine Neuerfindung von uns, sondern eine direkte Anwendung der Lehren von Lenins Kampf seit August 1914 für den Aufbau einer revolutionären Partei und einer neuen, kommunistischen Internationale – durch Spaltung von den Opportunisten in der Arbeiterbewegung, von den offenen Sozialchauvinisten à la Scheidemann ebenso wie von den Zentristen à la Kautsky. Dieser Kampf Lenins und der Bolschewiki war die Voraussetzung für die erfolgreiche Oktoberrevolution in Russland 1917. Genau das ist unser Modell heute.